Ganz kurz vor der Bundestagswahl noch die spannende Frage: Hat gute Wirtschaftsförderung eigentlich eine politische Richtung? „Das ist doch ganz leicht,“ werden Viele sagen: „gute Wirtschaftsförderung hat eine ganz klare Richtung, und zwar immer nach … vorn!“

Sicher eine gute Antwort! Nach unserer Erfahrung ist es in lokalen oder regionalen Strategieprojekten fast unmöglich, Entscheidungen mit einer parteipolitischen Richtung zu verknüpfen. Das gilt sogar im Detail, wenn wir vor Ort in Räten oder Ausschüssen über Vergabekriterien für Gewerbeflächen sprechen. Einmal ist es vorgekommen, dass ein Ratsmitglied der Linken forderte, die Vergabe von Flächen an Tariftreue zu knüpfen – sogar aus der Perspektive von Arbeitgeberverbänden eine kreative Idee. Fast immer gelingt es, Fragen der lokalen oder regionalen Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftsförderung sachlich und am Ende fast einmütig zu diskutieren und zu entscheiden.

Auch auf der Ebene der Bundesländer sind politische Farben nicht leicht am Handeln zu erkennen.

Ja, wir wissen schon, wer beim Thema Erneuerbare auf der Bremse steht. Aber ob der Ministerpräsident von sagen wir: der CSU gestellt wird, oder (wie bis vor kurzem) von der Linken – in beiden Freistaaten wird ambitionierte Förderpolitik betrieben. Was soll man sonst auch machen?

Wenn die politische Richtung von guter Wirtschaftsförderung also eindeutig nach vorn geht, welche Themen sind nach einer Bundestagswahl politisch wichtig? Ein paar Vorschläge.

Kommunale Finanzen: Die Beschwerde ist fast so alt wie die Menschheit und die kommunalen Spitzenverbände dürften alles dazu gesagt haben. Es würde die Lösung zahlreicher Probleme ermöglichen, wenn Kommunen eine angemessene Beteiligung am Steueraufkommen erhalten – und wo nötig auch eine Altschuldenregelung. Die jetzige Situation führt zu zahlreichen Verzerrungen. Dass die Wirtschaftsförderung als sogenannte freiwillige Aufgabe dabei regelmäßig unter die Räder kommt, verschärft diese Schwierigkeiten noch.

Förderung: In den Haushaltsdiskussionen der Ampelregierung spielten Einsparungen bei für die Wirtschaftsförderung relevanten Förderprogrammen immer wieder eine Rolle. Es ist aber notwendig, dass eine neue Bundesregierung Impulse setzt, die die Fördermechanismen der EU sinnvoll ergänzen. Es wäre deshalb richtig, die entsprechenden Etats (GRW, aber auch „BULEplus“ und Programme wie „Region gestalten“) besser auszustatten.

Zukunftsinvestitionen: Nicht nur die deutsche Bauindustrie benötigt dringend einen Schub. Wenn die öffentliche Hand den Wohnungsbau nicht massiv fördert oder selbst Wohnungen baut, steigt der Druck auf die Einkommen weiter an, während die Mobilität von Fachkräften weiter sinkt. Bahn, Autobahnen und die Digitalisierung von Infrastruktur und Verwaltung benötigen hohe Summen. Ein Thema, das im Bundestagswahlkampf eine erstaunlich schwache Rolle spielte, sind Bildungsinvestitionen. Hier hat sich Deutschland beharrlich unter dem Durchschnittsniveau von EU und OECD eingerichtet, was sich seit längerem rächt. Die Lockerung der Schuldenbremse wird zur Lösung all dieser Aufgaben nicht ausreichen. Deutschland braucht also ein wirklich sehr, sehr umfangreiches Investitionsprogramm.

Ökologische Transformation: Auch viele Unternehmen fühlen sich vom Tempo der Transformation überfordert. Das ist verständlich, aber eine Verlangsamung des Umbaus ist für Wirtschaft und Klima gleichermaßen schlecht. Deutschland hat große Fortschritte gemacht beim Einsatz erneuerbarer Energien. Die Managementkrise der Autoindustrie wird nicht im Rückwärtsgang überwunden werden. Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist ein riesiges Zukunftsprogramm, auch ökonomisch und Transformationen made in Germany wird der neue Exportschlager werden müssen.

Fachkräfte: Die Rente mit 63 wird niemand mehr rückgängig machen wollen, aber das Arbeiten auch für ältere Menschen attraktiver zu machen, ist eine wesentliche Gestaltungsaufgabe der Politik. Eine verbesserte Kinderbetreuung würde ebenfalls einen erheblichen Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels leisten. Je schwieriger die demografische Situation vor Ort, desto wichtiger ist die Förderung von Innovationsnetzwerken für Produktivitätssteigerungen. Auch die Migrationsdebatte muss wieder versachlicht werden. Bei den dringend benötigten Expats steht Deutschland inzwischen unter latentem Rassismusverdacht. Es ist für Unternehmen, wie für die öffentlichen Haushalte auch sinnvoll, Geflüchtete viel schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren als bisher.

Nur einige Vorschläge, wie gesagt – natürlich gibt es viele weitere Themen und auch die hoch priorisierte Beschwerde über Bürokratie ist nicht falsch. Gute Wirtschaftsförderung ist der Innovation und dem Fortschritt verpflichtet. Wenn „nach vorn“ also eine politische Richtung ist, dann kann es ja ab Montag losgehen.

Stefan Lennardt

Stefan Lennardt